Angestrengtes „Auf-der-Stelle-Treten“, oder: „Bitte schön, gerne nach Ihnen !“ – Lähmung allenthalben oder: warten auf Godot ?

In Blog by Johann G. Böhmer

Jeder kennt das Bild von dem Pantomimen, der mit dem Oberkörper einen flotten Gang simuliert, mit den Füßen unten aber nur elastisch auf der Stelle tritt. Diesen Eindruck gewinnt man zunehmend, wenn man die Akteure in und um unsere Ortspolitik betrachtet.

An der Tagesordnung der bisher einzigen Gemeinderatssitzung des Jahres 2025 in Gröbenzell am 30. Januar fiel zunächst auf, dass die Genehmigung von sage und schreibe vier Gemeinderatsprotokollen (beginnend ab der Sitzung vom 14.11.2024) und von weiterhin zwei Haupt- und Finanzausschussprotokollen (Sitzungen vom 28.11.24 und vom 12.12.2024) auf der Tagesordnung stand. Ferner stach der TOP 12 hervor, der einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN vom 20.1.2025 mit dem etwas sperrigen Titel „Umgang mit dem vom Verwaltungsgericht München für unwirksam erklärten Bebauungsplan 8“ aufnahm, sowie der TOP 13 mit der Bezeichnung: „Geschäftsordnung: Rechtsangelegenheiten des Ersten Bürgermeisters, hier: Rückforderung von Anwaltskosten“.

Wer mag, kann sich den unter TOP 12 behandelten Antrag von Bündnis 90/Die GRÜNEN vom 20.1.2025 und dazu auch die Beschlussvorlage der Verwaltung ansehen. Diese empfahl den Gemeinderäten, den Antrag anzunehmen und die Verwaltung zu beauftragen, die weiteren Schritte einzuleiten.

https://buergerinfo-groebenzell.digitalfabrix.de/si0057.asp?__ksinr=3011

Wenn man sich jetzt die Bekanntmachung für die nächste Sitzung am kommenden Donnerstag, 27.2.2025, ansieht, sieht man, dass das Anliegen der GRÜNEN in der Sitzung vom 30.1.2025 entsprechend der Empfehlung in der Beschlussvorlage offenbar bereits aufgegriffen worden ist, weil nämlich dort unter TOP 10  bezüglich des Bebauungsplanes 8 bereits eine Stellungnahme der Rechtsanwälte Messerschmidt und Kollegen angekündigt ist.

Man darf gespannt sein, wie sich diese Rechtsanwälte und die Verwaltung zu dem doch recht fundiert vorgetragenen Antrag von Bündnis 90/Die GRÜNEN stellen werden. Fundiert vorgetragen ist der Antrag nach Meinung von FAKTENCHECK deshalb, weil er sich auf eine sehr klare, von den GRÜNEN, sprich Runge, ergänzend zu einem Bescheid des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom 12.9.2024 eingeholte Stellungnahme des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom 16.1.2025 stützt.

Spannung versprach auch der in der Sitzung vom 30.1.2025 ebenfalls auf der Tagesordnung stehende Punkt „Rückforderung der Anwaltskosten“. Leider gibt die den TOP vorbereitende Sitzungsvorlage der Verwaltung nicht viel her. Sie verweist nur recht dünn auf den Vortrag in der Sitzung („Die Berichterstattung zum aktuellen Stand des Verfahrens erfolgt mündlich in der Sitzung. Der Gemeinderat nimmt die Ausführungen zur Kenntnis“).

Wer selbst nicht in der Sitzung war, sich aber für die Sache interessiert, kann sich nur bei Mitgliedern des Gemeinderates oder Zuhörerinnen oder Zuhörern der Sitzung informieren.

Normalerweise erfährt man mit einer gewissen Verzögerung auch aus der örtlichen Presse, MM-Tagblatt oder FFB-SZ, wenn es etwas Interessantes aus einer Gemeinderatssitzung zu berichten gibt. Außer über den TOP „Kita-Gebühren“ ist aber in der örtlichen Presse über die Gemeinderatssitzung vom 30.1.2025 bisher nicht berichtet worden und es ist dies jetzt nach über drei Wochen auch nicht mehr zu erwarten.

Das ist eine beklagenswerte Sache. Nach den Informationen, die FAKTENCHECK recherchiert hat, war in der Gemeinderatssitzung am 30.1.2025 nur Herr Verstegen vom Tagblatt da, von der Süddeutschen Zeitung jedoch niemand. Von der Süddeutschen Zeitung weiß man seit Herbst 2024, dass sie ihre Lokalredaktionen schließt oder jedenfalls noch weiter reduziert:

taz vom 25.10.2024: „Letzte Lokalrunde. Wen interessiert schon Ebersberg? Die Süddeutsche Zeitung spart weiter und will jetzt auch die Lokalteile im Münchner Umland dichtmachen“.

https://taz.de/Kuerzungen-bei-der-SZ/!6044963

SPIEGEL, 25.10.2024: „Süddeutsche Zeitung“ schließt Lokalredaktionen.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/sueddeutsche-zeitung-schliesst-lokalredaktionen-a-ba314c18-df8e-4814-8cc8-1fe083e06919

LORA 92.4. Radio: „SZ reduziert ihren Lokalteil“:

„Die Süddeutsche Zeitung erscheint seit letztem Montag ohne den Teil Stadtviertel…. Im Teil München der gestrigen SZ wird diese Ausdünnung mit der Formel „Wandel prägt das Leben“ als leicht modifizierte Struktur verkauft…  Unsere in der lokalen Berichterstattung arbeitenden Ehrenamtlichen schätzen die verlässlichen Quellen der bezahlten Kolleg*innen der SZ als Recherchegrundlage. Denn LORAs ehrenamtliche Redakteurinnen können nicht an jeder Bürgerversammlung und jeder Bezirksausschusssitzung teilnehmen, um nur zwei Beispiele zu nennen…..“.

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Das ist eine äußerst bedauerliche Meldung. Es ist ein schwerer Schlag für alle, die die Presse für eine wichtige Säule unserer demokratischen Grundordnung halten. Wir brauchen eine wachsame und unabhängige Presse auch auf der untersten Ebene unseres staatlichen Gefüges, heißt auf der kommunalen Ebene. Die neuen sozialen Medien (Facebook, x, Instagram, Tiktok) überwuchern und verdrängen den klassischen Journalismus immer mehr. Sie üben schon lange einen immer stärkeren Anpassungsdruck aus.

Worum also könnte es am 30.1.2025 in dem TOP „Rückforderung der Anwaltskosten“ gegangen sein? Wer die örtliche Presse aufmerksam verfolgt hat, kann darauf kommen, dass es um den Streit zwischen der Gemeinde Gröbenzell, Bürgermeister Schäfer und den für Schäfer tätig gewesenen Anwälten geht, wer für die Bezahlung von deren Anwaltsrechnungen zuständig ist, Schäfer oder die Gemeinde. Die Gemeinde Gröbenzell fordert mit einer beim Landgericht München I erhobenen Widerklage Zahlungen zurück, die aus der Gemeindekasse zur Bezahlung von Anwaltshonoraren geleistet worden sind, obwohl die von den Anwälten abgerechnete Tätigkeit nach Meinung des Gemeinderates und nach Meinung vor allem auch der Rechtsaufsicht beim Landratsamt Fürstenfeldbruck zwar von Schäfer beauftragt war, aber keine gemeindliche Angelegenheit, sondern eine Privatangelegenheit Schäfers betroffen hat.  

FAKTENCHECK hat über diese für Bürgermeister Schäfer äußerst heikle Angelegenheit bereits in dem FAKTENCHECK vom 29.5.2024 berichtet, wobei Aufhänger ein in der Ausgabe vom 5./6./7.1.2024 abgedrucktes Interview des Tagblatt-Journalisten Guido Verstegen mit Bürgermeister Martin Schäfer war.

https://www.gröbenzell-faktencheck.de/2024/05/29/roma-locuta-causa-finita-allerdings-groebenzell-ist-nicht-rom

Anlass des Interviews war, dass die Staatsanwaltschaft beim LG München II in diesem Fall gegen Martin Schäfer wegen des Verdachtes der Untreue zunächst aufgenommene Ermittlungen wieder eingestellt hatte. Die Einstellung war offenbar erfolgt, weil nach Meinung der Staatsanwaltschaft aus Sicht Schäfers Unsicherheit über die richtige Sachbehandlung geherrscht hat. Das heißt, man billigte Schäfer das Recht zu einem Irrtum zu, ob der von ihm erteilte Anwaltsauftrag seinem privaten oder seinem dienstlichen Bereich als Bürgermeister zuzuordnen war (sog. vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum). Im Gemeinderat kamen diese ominösen Zahlungen – es waren offenbar mehrere in der Größenordnung von insgesamt etwa 12.000 € – wohl bei einer Prüfung durch den Rechnungsprüfungsausschuss auf (das ist ein mit Mitgliedern des Gemeinderates besetzter Ausschuss).

Dabei stießen sich Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses als erstes daran, dass im Gemeinderat niemand wusste, dass es solche anwaltlichen Honorarrechnungen gab und dass die Beauftragung dieser Anwälte niemals Gegenstand einer Behandlung oder gar Beschlussfassung im Gemeinderat oder in einem seiner Ausschüsse war.

Damit war klar, dass die Verantwortlichen bei der Gemeinde keinerlei Ermessenspielraum hatten und dass die Gemeinde das zu Unrecht an die Anwälte Schäfers aus der Gemeindekasse geflossene Geld wieder zurückfordern musste. Andernfalls hätten sich die Verantwortlichen, also die mit der Sache befassten Entscheidungsträger in der Gemeinde (Stellvertreter des Bürgermeisters, Mitglieder des Gemeinderates und insbesondere des Rechnungsprüfungsausschusses) ihrerseits höchstwahrscheinlich wegen Untreue strafbar gemacht.      

Die Tendenz des damals von Guido Verstegen geführten Tagblatt-Interviews war ersichtlich, Schäfer einen gesichtswahrenden Ausweg aus der Sache zu ermöglichen. Schäfer wurde mit der Überschrift „Ein Bürgermeister muss das aushalten“ für einen unbefangenen Betrachter unter Übernahme seiner Selbstsicht recht deutlich als Mitleid heischendes Opfer in Szene gesetzt.

Was dabei jedoch völlig unter den Tisch fiel, war die in der Größenordnung von 12.000 € geschädigte Gemeindekasse. Das wiederum stieß ganz offensichtlich einem anderen Journalisten auf, und zwar Gerhard Eisenkolb von der FFB-SZ. Eisenkolb recherchierte offenbar bei Mitgliedern des Gemeinderats und bekam heraus, dass es – wenig überraschend , siehe oben – Beschlüsse des Gemeinderats in nichtöffentlicher Sitzung gab, dass die an die Anwälte Schäfers aus der Gemeindekasse bezahlten Gelder im Gegenzug zu einer von den Anwälten bereits eingereichten Feststellungsklage von der Gemeinde von diesen Anwälten zurückgefordert werden sollen. Die FFB-SZ berichtete dies alles Ende Mai 2024:

FFB-SZ vom 25./26.5.2024: „Kanzlei des Bürgermeisters verklagt die Gemeinde“

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/buergermeister-schaefer-geldforderungen-rechtsstreit-gemeinderat-1.7329181

In dem Bericht ist erwähnt, dass es bereits eine bei Gericht anhängige negative Feststellungsklage der Anwälte Schäfers gegen die Gemeinde gibt – sie kann nur das Ziel gehabt haben, feststellen zu lassen, dass die Anwälte der Gemeinde nichts zurückzuzahlen haben  – und dass die Gemeinde darauf mit einer Widerklage des Inhalts reagieren wird, dass die Anwälte der Gemeinde das aus der Gemeindekasse ausbezahlte Geld sehr wohl zurück zu zahlen haben – somit ein Wirrwarr ohnegleichen, für einen Laien kaum zu durchschauen.

Um das Wirrwarr noch zu steigern, gibt es in dieser unglückseligen Honorarsache auch noch einen weiteren Handlungsstrang, der vor gut einem Jahr bei einem weiteren Gericht, nämlich dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck landete, was auch aus der lokalen Presse zu erfahren war.

Die von Schäfer zur Abwehr von möglicherweise diffamierenden Äußerungen in sozialen Medien beauftragten Anwälte stellten nämlich irgendwann fest, dass ihnen noch ein Honorarrest von 601,84 € zustand. Sie müssen diesen Rest von ihrem Auftraggeber, Martin Schäfer, irgendwann direkt gefordert haben. Jedenfalls klagten sie diesen Betrag, nachdem Schäfer offenbar vorgerichtlich nicht bezahlt hatte, beim Amtsgericht Fürstenfeldbruck gegen Schäfer ein und waren damit gegen Schäfer auch erfolgreich:

merkur.de vom 17.1.2025: „Streit um Anwaltskosten: Richter gibt erste Einschätzung“, am Ende

https://www.merkur.de/lokales/fuerstenfeldbruck/groebenzell-ort28765/groebenzell-streit-buergermeister-gericht-anwaltskosten-richter-urteil-erste-einschaetzung-93520551.html

Nachdem also die Anwälte Schäfers sich selbst schon in einem Prozess auf den Standpunkt gestellt haben, dass Schäfer ihr Schuldner ist, und nachdem sie damit auch erfolgreich waren, stellt sich die Frage, was sie mit ihrer negativen Feststellungsklage gegen die Gemeinde beim Landgericht München I und ihrer Verteidigung in diesem Prozess gegen die als Widerklage erhobene Rückzahlungsklage der Gemeinde noch erreichen wollen.

Damit zurück zu TOP 13 in der letzten Gemeinderatssitzung vom 30.1.2025:

Man würde gerne wissen, wer in diesem TOP am 30.1.2025 was über diese höchst kuriose Sache berichtet hat und wie der Gemeinderat darüber gedacht hat. Der die Sitzung leitende 1. Bürgermeister Schäfer wird diesen Bericht wohl kaum abgegeben haben, denn er war als höchstwahrscheinlich richtiger Schuldner dieser Honorarforderungen persönlich Beteiligter und daher nach Art. 49 Abs. 1 GO von der Beratung und Beschlussfassung dieses TOPs ausgeschlossen.

Die Tatsache, dass das Tagblatt über diesen in der Sitzung vermutlich abgegebenen Bericht noch in keiner Ausgabe berichtet hat, obwohl ein Journalist des Tagblatts, Guido Verstegen, bei dieser öffentlichen Sitzung mit dabei war, irritiert sehr, denn es handelt sich unzweifelhaft um eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse. 12.000 € sind bei den heutigen knappen Haushaltskassen und der bekannt angespannten Haushaltslage der Gemeinde Gröbenzell kein Pappenstiel. Es geht vor allem auch um die Reputation des Ersten Bürgermeisters, seiner Stellvertreter und die Glaubwürdigkeit des Gemeinderats, letztendlich um das Ansehen der ganzen Gemeinde. Die Sache gerät immer mehr zu einer Posse, die an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten ist.

Man möchte gar nicht wissen, wieviel Menschen in wieviel Behörden (mindestens Gemeinde, Rechtsaufsicht und Staatsanwaltschaft) und Gerichten schon mit dieser Sache befasst waren, wieviel Zeit und Mühe sie dafür schon aufgewendet haben und wieviel Geld zu Lasten des Steuerzahlers dadurch schon völlig unnütz vergeudet worden ist. Dabei ist ein Ende noch gar nicht abzusehen. Denn offenbar hat Schäfer Berufung gegen das für ihn nachteilige Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck eingelegt und geht auch dieser Streit nun weiter, siehe den oben genannten Bericht im Merkur-Tagblatt vom 17.1.2025 ebenfalls am Ende. Zuständig für diese Berufung ist das Landgericht München II, während der andere Prozess bereits seit einiger Zeit beim LG München I läuft.

Wahrscheinlich ist es so, dass die Staatsanwaltschaft Schäfer mit der Zubilligung eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums eine goldene Brücke bauen wollte, siehe bereits den FAKTENCHECK vom 29.5.2024. Das Begehen dieser goldenen Brücke hätte aber schon längst erfordert, dass Schäfer das strittige Anwaltshonorar auf seine Kappe genommen und den Betrag aus seinem Geldbeutel an die Gemeindekasse bezahlt (erstattet) hätte.

Offensichtlich ist Schäfer jedoch völlig uneinsichtig und will er die Sache einfach aussitzen. Und jeder scheut sich, das offen auszusprechen. Ein Ende der Posse ist, Stand heute, nicht in Sicht. Somit also warten auf Godot ? Wäre für die heutige Zeit nicht untypisch.

Foto: piaxabay. Danke StokSnap